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BGH Beschluss vom 23.03.2021

1 StR 50/21, BGH hebt Verurteilung wegen Vergewaltigung auf; auch ein schlafender Partner kann mit sexueller Handlungen einverstanden sein

 

Ein Mann hatte seiner schlafenden Geliebten einen Vibrator eingeführt und wurde wegen Vergewaltigung verurteilt. Allerdings hätten sich die Strafrichter genauer mit der besonderen Art ihrer Beziehung befassen müssen, entschied später der Bundesgerichtshof (BGH, 23. März 2021 - 1 StR 50/21).

Schlafender Frau Vibrator eingeführt und fotografiert: Strafprozess

Der BGH musste über die Revision im Fall eines Mannes entscheiden, der wegen sexueller Übergriffe gegen seine Geliebte verurteilt worden war. Die beiden führten eine Liebesbeziehung und verbrachten ein gemeinsames Wochenende. Nach reichlichem Alkoholkonsum und einvernehmlichem Geschlechtsverkehr war die Frau eingeschlafen. Der Mann führte ihr einen Vibrator und einen Finger in die Vagina ein und machte davon Fotos. Die Frau schlief so fest, dass sie davon nichts mitbekam. Später schickte er ihr die Aufnahmen zu.

Der Vorfall führte zu einem Ermittlungsverfahren, als die Frau aus einem anderen Grund Strafanzeige gegen den Mann stellte. Das Landgericht München verurteilte ihn u. a. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und vorsätzlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die Frau trat in dem Strafprozess als Nebenklägerin auf. Nach dem Urteil legte der Strafverteidiger des Angeklagten Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Verurteilt wegen Vergewaltigung, aber lückenhafte Beweiswürdigung

Die Revision war in entscheidenden Punkten erfolgreich. Für den Bundesgerichtshof war die Beweiswürdigung in der Urteilsbegründung des Landgerichts München lückenhaft. Er hob deshalb das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.

Konkret sah der BGH die Gefahr, dass die Vorinstanz in ihrer Urteilsbegründung die „Besonderheiten im Intimleben“ des Paares sowie die „Ambivalenz des Verhaltens“ der Frau nicht ausreichend im Auge hatte. Diese Punkte waren für die Frage wichtig, ob möglicherweise ein Einverständnis der Nebenklägerin mit den sexuellen Handlungen und den Aufnahmen vorlag, oder ob der Angeklagte das zumindest annahm.

Vorwurf der Vergewaltigung: Besonderheiten der Beziehung müssen beachtet werden

Sexuelle Handlungen, die ohne Einverständnis des Partners oder der Partnerin vorgenommen werden, sind grundsätzlich strafbar. Um zu klären, ob ein solches Einverständnis vorgelegen hat, muss dem BGH zufolge allerdings auf die gesamten Umstände dieser Beziehung geachtet werden. Das gilt gerade in einer längeren intimen bzw. Liebesbeziehung.

Von Bedeutung sind demnach nicht nur die „einvernehmlich praktizierten sexuellen Gewohnheiten“. Auch die sonstige Interaktion ist wichtig. „Alle Besonderheiten der Paarbeziehung“ müssen betrachtet werden. Außerdem muss die Strafkammer, die bei einer solchen Konstellation über den Vorwurf der Vergewaltigung entscheidet, die Beweislage daraufhin prüfen, ob der Angeklagte selbst an ein Einverständnis der Partnerin glaubte. Gerade bei einer „ambivalenten Intimbeziehung“ hat diese Prüfung dem BGH zufolge besonders gewissenhaft und kritisch auszufallen.

Ambivalentes Verhalten: Einzelne Textnachricht reicht als Beweis nicht aus

Die frühere Geliebte des Angeklagten hatte nach ihrer Aussage bei der Polizei sowie als Zeugin vor Gericht den Angeklagten gebeten, ihr keine Gegenstände während des Schlafs einzuführen. Aufnahmen davon empfinde sie als eklig. Sie hatte dem Mann auch Wochen vor dem gemeinsamen Wochenende in einer WhatsApp-Nachricht deutlich gemacht, dass sie keine sexuellen Handlungen wünsche, während sie schlafe. Diese Nachricht hatte das Landgericht als Beweis für ihr fehlendes Einverständnis bewertet. Der Bundesgerichtshof bemängelte, dass die Münchner Richter dabei nicht auf den Kontext geachtet hatten: die „Ambivalenz der Beziehung“ und das „durchgehend ambivalente“ Verhalten der Frau.

Die WhatsApp-Nachricht stammte aus einem konfliktgeladenen Dialog des damaligen Paars. Deshalb hätte geprüft werden müssen, ob die Nachricht wirklich für eine ablehnende Grundhaltung der Nebenklägerin stand und ihr fehlendes Einverständnis belegte. Als der Mann nach dem Wochenende der Frau ein Bild des Vorfalls schickte, reagierte sie nicht mit Vorwürfen, sondern nur mit Bemerkungen wie „Bin viel zu fett.“ und „Mag mich selbst nicht.“ In der Hauptverhandlung hatte sie ausgesagt, sie nehme dem Angeklagten „nichts krumm“, sie möge nur das Bild nicht. Das Zusenden einer der Aufnahmen nannte sie gegenüber der Polizei eine „Liebeserklärung“. Zudem hatte sie selbst ähnliche Bilder von sich auf ihrem Smartphone.

Ambivalente Intimbeziehung: gelegentliches Einverständnis?

Ob diese Indizien gegen ein fehlendes Einverständnis und damit gegen den Tatbestand der Vergewaltigung sprachen, hatte das Landgericht nicht geprüft. Die Frau hatte im Rahmen ihrer Vernehmungen angegeben, mit dem Angeklagten nie Sex gegen ihren Willen gehabt zu haben und keine Strafverfolgung aufgrund der sexuellen Handlungen angestrebt zu haben. Sie sei überrascht gewesen, dass die Polizei von Missbrauch sprach.

Angesichts dessen hätte die Vorinstanz die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass die Nebenklägerin „gegen das Verhalten des Angeklagten in der Tatnacht nichts einzuwenden hatte“ und es trotz gelegentlicher, anderslautender Äußerungen zumindest manchmal hinnahm. Der Mann hatte ihr kurz nach dem Wochenende „erkennbar ohne schlechtes Gewissen“ Aufnahmen geschickt, auf die sie nicht empört reagiert hatte. Außerdem hätte das Landgericht zu prüfen gehabt, ob dem Angeklagten das fehlende Einverständnis der Nebenklägerin mit seinen sexuellen Handlungen nicht bewusst war.

Fachanwalt Strafrecht Dortmund – Fazit von Dieter Axmann:

  • Strafrichter müssen die gesamte Dynamik einer Beziehung beachten, wenn sie über den Vorwurf eines Sexualdelikts urteilen.
  • Im Gesamtkontext betrachtet können zunächst klar erscheinende Indizien ihre Aussagekraft einbüßen.
  • Gut begründete Revisionen haben durchaus Erfolg, auch und gerade im Sexualstrafrecht.

Strafverteidiger und Rechtsanwalt Dieter Axmann aus Dortmund ist Fachanwalt für Strafrecht. Er hat bereits Hunderte von Mandanten gegen den Vorwurf von Sexualdelikten verteidigt und ist Experte im Sexualstrafrecht.

 

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